Wenn logische IT-Systeme auf Organisationen treffen

Vorweg ein Fundstück aus der Rubrik selten gesprochener Sätze: “Mit dem neuen IT-System funktioniert jetzt alles reibungslos!” Leider eine Aussage mit gewissem Seltenheitswert. Aber es gibt auch Hoffnung: denn das Wort ‘selten’ impliziert, dass dieser Satz tatsächlich hin und wieder irgendwo ausgesprochen wird.

Und tatsächlich gelingt es einigen Unternehmen immer wieder, ihre Prozesse erfolgreich zu digitalisieren.

Digitale Technologien bieten natürlich ganz hervorragende Möglichkeiten, um bspw. die Interaktion zwischen Teams zu ermöglichen, wichtige Unternehmensdaten zur Verfügung zu stellen und diese sinnvoll auszuwerten oder aber auch einen Beitrag zur Steigerung der Qualität zu leisten. Die Einsatzmöglichkeiten gestalten sich glücklicherweise vielfältig. Jedoch ist die Auswahl eines geeigneten IT-Systems unter rein technologischer Betrachtung für den Projekterfolg nur maximal die halbe Miete. Es sind erfahrungsgemäß weitere wichtige Punkte zu beachten, damit das digitale Transformationsprojekt auch wirklich ein Erfolg wird. Was Projektverantwortliche häufig nicht mit in ihre Vorbereitung einbeziehen, ist die Überlegung, was das Projekt mit der Organisation und mit den darin agierenden Personen macht - es berührt sie in Ihren etablierten Abläufen und zwar häufig sensibel. Wie sehen zudem die aktuellen Prozesse im Unternehmen wirklich aus? Und damit ist nicht gemeint, dass man sich einfach die ausgehängten Arbeitsanweisungen und Prozessbeschreibungen ansieht. Schön wär’s. Hintertüren sowie Seiten- und Auswege haben sich in den Prozessen meist über Jahre hinweg “etabliert”, weil der Ursprungsprozess nie wirklich funktionierte.

Was also gilt es aus Sicht der Unternehmensorganisation zu beachten, damit die digitale Transformation ein Erfolg wird?

Zunächst einmal ist die Implementierung digitaler Systeme kein rein technisches Projekt. Digitalisierungsprojekte schneiden fast immer bestehende Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten. An reiner IT-Fachkenntnis scheitert es im Projektverlauf in der Regel nur selten, was die Sache technisch nicht weniger anspruchsvoll macht. Eine gute Systemauswahl und logische Implementierungsschritte werden von IT-Abteilungen erfahrungsgemäß mit Bravour in puncto Schnelligkeit und Qualität entworfen. Die Sache hat jedoch einen ganz entscheidenden Haken: Organisationen, in denen logische Systeme implementiert werden sollen, funktionieren nicht logisch im Sinne eines Schaltplans - sie handeln und reagieren menschlich. Ein riesengroßer Unterschied, der selten berücksichtigt wird.

Daher ist es ungemein wichtig, alle Beteiligten im Prozess früh in das Projekt mit einzubinden, um aufkommende Fragen und Sorgen zu besprechen. Ebenso wichtig ist die Klärung von Zuständigkeiten im Hier und Heute und in der Zukunft. Wer kümmert sich um welchen Prozess und wer bespricht eigentlich neue Abläufe mit den Teams? In erfolgreichen Projekten sieht man häufig das Prinzip der ‘Key User’, die oft fachlich tiefgehendes Know-how und einen guten Zugang zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben - beinahe unbezahlbar.

Zudem ist eine intensive Auseinandersetzung mit den bestehenden Prozessen für ein Digitalisierungsprojekt überlebenswichtig. Dieser Aspekt steht nicht nur mit dem zuvor erwähnten menschlichen Einfluss im Zusammenhang, sondern er geht intensiv in die erste Problemanalyse: Wie wird wirklich gearbeitet? Gibt es Auswege, Hintertüren oder Abkürzungen? Wenn ja, warum?

Analysieren Sie im Vorfeld gemeinsam mit den handelnden Menschen die realen Abläufe und Sie erhalten nicht nur den wahren Prozess, sondern auch gleichzeitig eine Diagnose: mit welchen Problemen kämpft die Organisation tagtäglich und weshalb tut sie das? Erst dann kann gemeinsam ein neuer Soll-Prozess modelliert werden, den man anschließend ruhigen Gewissens digitalisieren und skalieren kann.

Was war nochmal das Problem?

Davon auszugehen, dass ein Digitalisierungsprojekt also lediglich geballte IT-Power benötigt und dass ein solches Projekt keine enge Betreuung von erfahrenen und neutralen (!) Prozessmodellierern benötigt, wäre etwas leichtgläubig. Eine Fokussierung auf die Fragestellung: Welche Probleme möchten wir mit dem Projekt eigentlich ganz konkret lösen und passt es überhaupt zur Unternehmensstrategie, ist sehr wichtig. Häufig fallen neue Projekte für die Belegschaft regelrecht “vom Himmel” und sind der Unternehmensstrategie nur schwer zuzuordnen. Ein nicht moderiertes Projekt läuft Gefahr, von allen handelnden Akteuren für die eigenen Zwecke und Vorteile verbogen zu werden. Häufig wächst der Anforderungskatalog sukzessive an und alle Beteiligten wissen plötzlich nicht mehr, welches Problem hier eigentlich gelöst werden sollte. Es empfiehlt sich also, nahe am gemeinsam abgestimmten Ziel zu bleiben und die geplante Route nur ganz bewusst zu verlassen.

Es zeigt sich ebenfalls als Vorteilhaft, den betroffenen Stellen in der Organisation früh im Prozess die Mechanismen des Change Prozesses zu erklären. Der Übergang vom alten (mehr oder weniger) stabilen Prozess zum neuen stabilen Prozess geht immer mit einer zwischenzeitlichen Störung der etablierten Abläufe einher und ist daher grundsätzlich normal und nichts Besorgniserregendes. Man muss es nur gut erklären - bevor man startet.

“Lean” und digitale Transformation schließen sich nicht aus

Im Gegenteil: sie bedingen sich gegenseitig. Während IT-Systeme gut und schlank aufgestellte Prozesse dankend annehmen, profitiert das Lean Management im Umkehrschluss von sauberen Prozessdaten, um Abläufe im Hinblick auf Produktivität und Qualität weiter verbessern zu können. Die Produktion der Zukunft benötigt genau diese technische Symbiose. Es geht weder im Lean Management noch in der digitalen Transformation um “Mitarbeiterfreistellungsprogramme”. Die clevere Kombination aus Lean und Digitalisierung ist durch Vereinfachung der Abläufe in der Lage, das Produktionspersonal von nicht notwendigen Tätigkeiten zu entlasten und daher die freigewordenen Kapazitäten konzentriert auf Flexibilität und qualitätssensible Prozesse zu lenken.

Binden Sie bitte Ihr Personal mit in Ihre Projekte ein, schauen Sie sich gemeinsam die wirklichen Prozesse an und nutzen Sie freigewordene Kapazitäten, um sich flexibel und widerstandsfähig aufzustellen. Eine überlebenswichtige Notwendigkeit in einem volatilen Wirtschaftsumfeld.

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Die Fähigkeiten der Zukunft